Link zu Laura Leander Mysteria Die Drachenbande - Peter & Florian Freund
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Leseprobe:
Das Monster aus der Tiefe

Die Nacht war über Rock City hereingebrochen. Eine leichte Brise wehte durch die Schilfrohre am Ufer des Teufelssees und wiegte sie wie im Takt einer unheimlichen Melodie. Nebel waberten über das Gewässer. Schemenhafte Gestalten formten sich aus dem Dunst, um gleich wieder in den grauen Schleiern zu verschwinden. Aus der Ferne erklang der schaurige Ruf einer Eule.

Das Strandbad lag am Nordufer des Sees, in einer kleinen Bucht abseits der Stadt. Tagsüber wimmelte es hier von Besuchern. Jung und alt suchten Abkühlung von der schier unerträglichen Hitze, die seit Wochen über Steiningen lastete.

Zu dieser mitternächtlichen Stunde jedoch war von dem täglichen Trubel nichts mehr zu spüren. Die unzähligen Buden lagen einsam und verlassen im fahlen Licht des Mondes. Die Liegewiesen waren verwaist wie die Schulhöfe zur Ferienzeit. Schwarz und träge schwappte das Wasser des Sees an den wie ausgestorben wirkenden Badestrand, und nichts deutete auf das unheimliche Geschehen hin, das Steiningen schon bald in Angst und Schrecken versetzen sollte.

Auch das junge Liebespaar ahnte nichts von der Gefahr, in der es schwebte. Auf der Suche nach einem einsamen Plätzchen hatten die beiden es sich unter einer Weide auf einem großen Strandhandtuch bequem gemacht.

Die jungen Leute hatten nur Augen für sich selbst, und so merkten sie nicht, dass sich der Nebel wie auf ein geheimes Zeichen hin lichtete. Das Wasser in Ufernähe begann zu glühen. Das unheimliche Leuchten wurde heller und heller. Silbrige Blasen stiegen aus der Tiefe empor. Zuerst nur ein paar, dann immer mehr und mehr, bis das Wasser wie in einem riesigen Kocher brodelte.

Schaurig dumpfe Geräusche kamen vom Grund des Sees, als sei dort ein Urzeitmonster aus jahrhundertelangem Schlaf erwacht.

Empört schnatternd schreckte eine Ente aus dem Schilf empor und flatterte geräuschvoll davon.

Die Fischreiher, die in den Bäumen am Ufer nisteten, schwangen sich in die Lüfte und suchten panisch das Weite.

Endlich bemerkte auch das einsame Pärchen, dass etwas nicht stimmte. Der Junge trug raspelkurze Haare und einen Ring in der Augenbraue. Verwundert richtete er sich auf und blickte aufs Wasser, als ihm auch schon ein unterdrückter Schreckenslaut entfuhr. Gleichzeitig begann er zu zittern.

Seine Freundin dagegen erstarrte.

Nur wenige Meter von ihnen entfernt löste sich eine Gestalt aus dem schwarzen Nass, wurde größer und größer, bis sich die unförmigen Konturen eines unheimlichen Wesens vor dem fahlen Mond abzeichneten.

Es war riesig.

Ein wahres Monstrum!

Der silbrig glänzende Rumpf trug ein mächtiges Haupt, das dem Helm eines Aliens glich. Die gewaltigen Arme endeten in großen Klauenhänden, die an die Greifer eines Roboters erinnerten.

Als sich die monströse Gestalt aus dem Wasser löste und auf massigen Füßen zielstrebig auf das Handtuch zuschritt, schien es, als würde der Strand unter ihren Schritten erbeben.

Wie versteinert saßen der Junge und das Mädchen da.

Das Monster kam näher.

Es war schon auf Reichweite herangekommen, als die beiden endlich reagierten. Während das Mädchen einen schrillen Schrei ausstieß, sprang der Junge auf und riss seine schreckensstarre Freundin hoch. Gerade noch rechtzeitig, bevor ihr Handtuch von einem gigantischen Fuß in den Sand gestapft wurde, gelang ihnen die Flucht.

Wie von Dämonen gehetzt, stürmten die beiden zum Parkplatz. „Los, komm schon! Lauf schneller!“, schrie der junge Mann seiner Freundin zu, die wie eine Ertrinkende an seiner Hand hing. Erst als die Flüchtenden, schwer keuchend und völlig außer Atem, an ihrem Auto angelangt waren, wagten sie einen Blick zurück.

Das Wesen war noch ein geraumes Stück entfernt, stapfte aber weiterhin zielstrebig hinter ihnen her und auf den Parkplatz zu.

Mit angstvollem Blick starrte die junge Frau das Monster an. „Was... was ist das, Toni?“, flüsterte sie atemlos.

„Keine Ahnung.“ Ihr Freund schluckte beklommen. „Und ich bin auch gar nicht scharf darauf, das herauszufinden.“

Mit einem raschen Knopfdruck auf die Fernbedienung entriegelte er die Autotüren und bugsierte das zitternde Mädchen auf den Beifahrersitz. Dann sprintete er auf die Fahrerseite und sprang hinter das Steuer. Der Motor heulte auf. Mit quietschenden Reifen raste der Wagen davon und verschwand im Dunkel der Nacht.

In diesem Moment erreichte die unheimliche Gestalt den Parkplatz. Sie blieb stehen und blickte dem entschwundenen Auto hinterher, als hätte sie es sich ganz genau eingeprägt.

Aus der Ferne hallten die Schläge der Kirchturmuhr heran.

Es war eins.

Das Ende der Geisterstunde.


Die Schüler der Klasse 7a des Paracelsus-Gymnasiums hatten genug. Es war die letzte Stunde vor den großen Ferien und die meisten von ihnen waren mit ihren Gedanken bereits ganz woanders. An warmen Badestränden. Auf imposanten Berggipfeln. In Sümpfen und Mooren. Auf einsamen Pirateninseln und inmitten exotischer Dschungel - oder wo immer der Sommerurlaub sie auch hinführen würde.

Vor den Fenstern des Klassenzimmers flirrte die Hitze - bestes Badewetter. Die Sonne brannte so erbarmungslos vom Himmel, dass es die Schüler kaum mehr erwarten konnten, sich in den kühlen Teufelssee zu stürzen.

Doch Frau Krause, die hagere Klassenlehrerin der 7a, schien etwas dagegen zu haben. Obwohl sie die Zeugnisse schon zu Beginn der Stunde demonstrativ aufs Lehrerpult gelegt hatte, dachte sie nicht im Traum daran, sie zu verteilen. Wie ein eitler Moderator bei der Oscarverleihung kostete sie jede verbleibende Minute genüsslich aus.

„Und damit kommen wir zur nächsten Frage unseres allseits beliebten Fragespiels zum Schuljahresschluss“, piepste sie mit dünner Stimme. „Wann wurde das Monster von Loch Ness zum ersten Mal gesichtet?“

Genervtes Stöhnen war zu hören. Niemand antwortete. Die 7a schaltete auf stur. Lustlosigkeit zeichnete die Gesichter der Schüler. Selbst Albert Stein, wegen seiner Klugheit von allen nur Einstein genannt, schwieg und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.

Entgeistert blickte Frau Krause in die Runde. „Aber einer von euch wird das doch wissen? Wir haben das doch erst kürzlich durchgenommen!“

Die einzige Antwort war ein lautes Schnarchen. Martha Müller, ein auffallend hübsches Mädchen aus der letzten Reihe, hatte wieder einmal die halbe Nacht vor dem Computer verbracht und war deshalb einfach eingeschlafen.

Frau Krause ließ nicht locker. „Ich verstehe nicht, warum euch das Thema so wenig interessiert“, zirpte sie mit honigsüßem Lächeln. „Immerhin erhält derjenige, der als Erster einen stichhaltigen Beweis für die Existenz von Nessie liefert, eine Belohnung von einer Million Euro.“

„Was?“ Jan Berger, Einsteins Sitznachbar, schaute die Lehrerin verblüfft an.

Ein Lächeln huschte über Frau Krauses Gesicht. „Natürlich, Jan. Das habe ich erst kürzlich gelesen – in einer seriösen Zeitung und nicht in einem Revolverblatt.“

Der hübsche, großgewachsene Junge mit den dunklen Wuschelhaaren zwinkerte Einstein verstohlen zu, bevor er sich wieder an die Lehrerin wandte. „Sie sind zu gut zu uns, Frau Krause. Als Klassensprecher der 7a möchte ich Ihnen ausdrücklich für diese Information danken.“

„Doch nicht dafür!“ Gerührt schlug das hagere Fräulein die Augen nieder.

„Wie ich Sie kenne, werden Sie uns sicherlich nach besten Kräften unterstützen, damit wir diesen Preis ergattern.“

„Aber selbstverständlich!“ Noch immer spielte ein Lächeln um Frau Krauses Lippen. „Das versteht sich doch von selbst.“

„Dachte ich’s mir doch, Frau Krause.“ Jan konnte sich das Grinsen nicht länger verkneifen. „Sie werden deshalb bestimmt verstehen, dass wir uns schnellstens auf die Suche nach Nessie machen wollen. Sonst kommt uns noch jemand zuvor und schnappt uns das Geld vor der Nase weg.“

„Ähm?“ Die Lehrerin schnappte nach Luft. Das Lächeln gefror auf ihren pastellrosa Lippen.

„Zum Dank werden wir Ihnen auch einen Teil des Preisgeldes überlassen - nicht wahr, Leute?“ Grinsend wandte sich Jan an die Klasse, die auf sein Spiel einging und begeisterte Zustimmung hören ließ: „Aber natürlich!“ „Klar doch!“ „Selbstverständlich!“

„Wären Sie mit fünfzehn Prozent einverstanden?“, warf Einstein ein. „Das ist in solchen Fällen üblich. Oder möchten Sie lieber mehr, Frau Krause?“

Für einen Moment noch starrte die Lehrerin die Schüler entgeistert an. Dann gab sie sich geschlagen. „In Ordnung, ihr Gauner. Ich will euch nicht länger aufhalten.“ Mit einem tiefen Seufzer griff Frau Krause nach dem Zeugnisstapel.

Die Schüler grienten zufrieden. Martha Müller, die aus dem Schlummer erwacht war, zeigte Jan anerkennend den hochgereckten Daumen.

Einstein klopfte seinem Kumpel auf die Schulter. „Alle Achtung, wie du das wieder hinbekommen hast, Jan. Selbst Aristoteles wäre neidisch auf dich und der war gewiss nicht auf den Kopf gefallen.“

Jan zwinkerte ihm gut gelaunt zu. Ein Lob aus Einsteins Mund war fast so selten wie eine blaue Mauritius. Klar, dass sich Jan darüber freute – aber noch viel mehr freute er sich auf die sechs Wochen Badeferien in den kühlen Fluten des Teufelsees, die vor der Drachen-Bande lagen.


Kommissar Krausewitz war stocksauer. Sein Schreibtisch quoll über von unbearbeiteten Akten und er musste sich mit diesem Kinderkram abgeben.

Monster!

So ein Blödsinn!

Trotzdem hatte er das Strandbad sofort sperren lassen, als die beiden völlig verstörten jungen Leute am Morgen bei ihm aufgetaucht waren, um von ihrem unheimlichen nächtlichen Erlebnis zu berichten.

Sicher ist sicher! Alte Kriminalistenweisheit!

Es hätte gerade noch gefehlt, dass eine Horde barfüßiger Badegäste wichtige Spuren am Strand zertrampelte!

Missmutig stapfte der untersetzte Kommissar auf das Ufer des Teufelssees zu. Er hatte die Stirn tief in Falten gelegt, was ihm das Aussehen einer übelgelaunten Bulldogge verlieh. Unvermittelt blieb Krausewitz stehen und fuhr schnaufend herum. „Und wo genau hab ihr dieses ... wie soll ich sagen ... Ding gesehen?“, blaffte er das Pärchen an, das ihm mit eingeschüchterten Mienen folgte.

„Äh ... dort, Herr Kommissar.“ Toni Franzen deutete zum Badestrand. „Dieses... äh... Wesen ist dort aus dem Wasser aufgetaucht und direkt auf uns zugekommen.“ Der junge Mann drehte sich um. „Da hinten liegt noch das Handtuch, auf dem wir es uns bequem gemacht hatten.“

„Bequem gemacht, soso.“ Der Kommissar bedachte die beiden mit einem abschätzigen Blick.

„Und dann...“, wollte der Junge fortfahren, als der Kommissar ihn rüde unterbrach.

„Schon gut“, grunzte er. „Das habt ihr bereits zu Protokoll gegeben.“

Schwerfällig stapfte Krausewitz auf den Sandstrand zu und blieb mit einem Male stehen. Verwundert schob er seinen Karohut in den Nacken, ging dann ächzend in die Knie und starrte auf die Fußspur, die sich deutlich im feuchten Sand abzeichnete.

Sie war riesig.

Wie von einem Ungeheuer.

„Hm“, brummte der Kommissar und knetete sein Kinn. Schließlich richtete er sich wieder auf und folgte der Spur. Als er die Liegewiese erreichte, wurden die Abdrücke undeutlicher. Schon drohten sie sich ganz zu verlieren, als Krausewitz an dem verlassen Handtuch angelangte. Und darauf – kein Zweifel! – waren klar und deutlich die schmutzigen Umrisse eines gigantischen Schuhes oder Stiefels zu erkennen.

Wieder fasste sich der Kommissar ans Kinn. Seine Schweinsäugelein wurden schmal. „Merkwürdig“, murmelte er. „Sehr merkwürdig.“ Er wandte sich den jungen Leuten zu, die ihm wie zwei Schoßhündchen gefolgt waren. „Und warum seid ihr vor ihm geflüchtet?“

„Warum?“ Toni Franzen klappte die Kinnlade herunter. Für einen Moment starrte er den Kommissar wortlos an. „Wa-Was hätten Sie denn gemacht?“

Die Mundwinkel von Krausewitz zuckten spöttisch. Schon wollte er zu einer Antwort anheben, als eine aufgeregte Stimme hinter ihm ertönte: „Herr Kommissar! Herr Kommissar!“

Der beleibte Mann drehte sich um, rückte den Hut wieder zurecht und blickte genervt zu der hochaufgeschossenen, spargeldünnen Gestalt, die ihm vom Seeufer aus aufgeregt zuwinkte.

Hendrik Pichelmeier, sein Assistent.

„Kommen Sie schnell her, Herr Kommissar“, schrie Pichelmeier, „und schauen Sie sich das mal an. Das ist einfach unfassbar!“


Wie hysterische Teenager auf einem Boy-Group-Konzert stürmten die Schüler des Paracelsus-Gymnasiums ins Freie. Jan und Einstein, die sich mitten im Pulk befanden, wurden von der Menge einfach mitgerissen.

Vor dem Ausgang erwartete sie ein Mädchen: Marie Mertens. Die langen blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, stand sie auf dem Schulhof und winkte den Jungs freudestrahlend zu. Sonnenstrahlen tänzelten über ihr sommersprossiges Gesicht. „Wird ja endlich Zeit, dass ihr kommt. Jetzt legt mal einen Zahn zu, ihr lahmen Säcke.“

Jan versuchte seinen Ärger über diese Provokation hinter einer unbeteiligten Miene zu verbergen. Er ließ das Skateboard fallen, das unter seinem Arm klemmte, sprang auf und sauste direkt auf Marie zu. Erst kurz vor dem aufkreischendem Mädchen lenkte er grinsend zur Seite. Mit gekonnten Moves sprang er über die Bänke im Schatten der Platanen, slidete das Geländer der Treppe hinab, die zum Basketball-Court führte, und sauste über die Rollstuhlrampe wieder nach oben. In wilder Fahrt umkurvte er Mitschüler, die mit gespielten Entsetzen zur Seite sprangen, und kam mit einem heftigen Bremsmanöver direkt vor Marie zum Stehen.

„Hi.“ Jan zeigte sein charmantestes Lächeln. „Und einen schönen Gruß von den lahmen Säcken.“

„Du glaubst doch hoffentlich nicht, dass du mich damit beeindrucken kannst, du Super-Champion?“ Marie gab sich betont cool, aber das Glitzern ihrer Augen verriet, dass sie Jan insgeheim bewunderte.

Und das nicht nur wegen seiner Skateboard-Künste!

„Wusstest du eigentlich“, meldete sich Einstein wie beiläufig zu Wort, während er hektisch in seinem Rucksack herumkramte, „dass laut neuesten empirischen Erhebungen die überwältigende Mehrzahl blonder Mädchen im Alter zwischen zwölf und vierzehn Jahren in Skater verknallt sind?“

„Du Eierkopp!“, zischte Marie und lief dunkelrot an wie eine überreife Tomate.

„Eierkopp?“ Einstein musste lachen. „In welchem antiquarischen Wörterbuch hast du das denn gefunden? Der Begriff ist doch völlig out. Heute gebraucht man eher Ausdrücke wie Freak, Nerd oder Geek.“

„Mir doch egal.“ Marie schien immer noch sauer zu sein, fuhr dann aber im versöhnlicheren Ton fort: „Wie steht’s denn mit euren Zeugnissen?“

„Super!“, antwortete Jan lächelnd. „Ich bin voll und ganz zufrieden.“

Das konnte er auch sein. Bis auf die ‚Ausreichend’ in Kunst, um die er wegen seines eher bescheidenen Zeichentalents wohl nie herumkommen würde, hatte er nur Zweien und Dreien, was eine leichte Verbesserung gegenüber dem letzten Schuljahr bedeutete.

Marie hatte ihren Durchschnitt sogar deutlich gesteigert -fast um eine ganze Notenstufe.

Nur Einstein schaute reichlich niedergeschlagen drein.

„Was ist denn los?“, fragte Marie verwundert. „Du hast doch nicht etwa eine schlechte Zensur...?“

Einstein nickte so verzweifelt, als habe man gerade das Todesurteil über ihn gesprochen. „Schlecht ist gar kein Ausdruck“, seufzte er. „Es ist schlichtweg eine Katastrophe! Ich weiß wirklich nicht, was ich machen soll.“

Marie erblasste. „Was ist passiert?“, fragte sie beklommen, während ihr Blick von Einstein zu Jan wanderte.

Der grinste nur stumm vor sich hin.

Einstein setzte sein Lamento fort. „Das ist das Ende.“ Mit traurigem Kopfschütten biss er in die dicke Leberwurststulle, die er aus den Tiefen seines Rucksacks gefischt hatte. „Wich wab weine Weins winus win Wysik!“

Marie schien nicht zu verstehen. „Eine Eins minus?“ Mit großen Augen starrte sie ihren rothaarigen Freund an. „Was ist denn daran so schlimm?“

„Marie hat Recht.“ Mit leisem Vorwurf schielte Jan auf die fettige Stulle in Einsteins Hand. „Dir könnte weitaus Schlimmeres passieren. Zum Beispiel, wenn deine Mutter erfährt, dass du ihren sorgfältig ausgetüftelten Diätplan andauernd sabotierst.“

„Uups!“ Einstein blieb fast der Bissen im Hals stecken. „Was heißt hier Sabotage? Das ist reine Notwehr, ehrlich! Eine ganze Woche nur Karotten und rote Beete – das überlebt doch kein Mensch!“

„Du Ärmster!“ Mit gespieltem Mitleid klopften Jan und Marie ihm auf die Schulter. „Nachher im Strandbad spendieren wir dir ein Mega-Eis mit einer doppelten Portion Sahne. Zum Trost und damit du nicht verhungerst.“

„Klasse!“ Albert strahlte. „Ihr seid wahre Freunde, echt! Ich freu mich schon auf unseren Super-Sun-and-Fun-Strandbad-Sommer am Teufelssee.“

„Wir doch auch! Also bis nachher!“

Damit verabschiedeten sie sich voneinander. Im Gegensatz zu ihren Klassenkameraden stand für die Mitglieder der Drachen-Bande keine Urlaubsreise an. Thomas und Lisa Berger, die Eltern von Jan und Julia, waren im Geschäft unabkömmlich. Marie sollte ursprünglich zwar gleich am ersten Ferientag mit ihren Eltern zum Tauchen auf die Malediven fliegen. Doch dann hatten Maximilian und Eleonore Mertens, beides überaus erfolgreiche Anwälte, kurzfristig eine Einladung zu einem wichtigen Juristen-Kongress bekommen und die Traumreise deshalb aufs nächste Jahr verschoben. Und Alberts alleinerziehende Mutter Martina konnte sich von ihrem schmalen Verkäuferinnen-Gehalt ohnehin keinen längeren Urlaub leisten. Deshalb hatten die Freunde beschlossen, die Ferien hauptsächlich am heimischen Badesee zu verbringen. Doch daraus sollte so schnell nichts werden.