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Leseprobe: Im Bann des schwarzen Ritters

Es war kurz nach zehn, als der Spuk begann. Wie die düsteren Vorboten des drohenden Unheils geisterten schwarze Wolken über den nächtlichen Himmel. Marie Mertens jedoch hatte dafür keinen Blick. Das hochaufgeschossene Mädchen drehte gerade seine allabendliche Runde durch den Stadtwald von Rock City, ganz in der Nähe der elterlichen Villa. Diva, Maries Golden Retriever-Hündin, trabte leicht und elegant neben ihr her.

Zwischen den alten Bäumen, hauptsächlich Eichen, Buchen und Fichten, hatte sich bereits die Dunkelheit eingenistet. Nur ein paar einsame Laternen warfen Flecken aus gelbem Licht auf die Kieswege des parkähnlichen Wäldchens. Der späten Stunde zum Trotz war es noch drückend warm. Kein Wunder – Steiningen, wie der richtige Name des Städtchens lautete, erlebte gerade den heißesten Sommer seit Jahren. Mückenschwärme schwirrten durch die schwüle Luft und formten schwarze Wirbel in den hellen Lichtkegeln. Vor der dunklen Tannenschonung, die sich rund fünfzig Meter weiter rechts vom Weg erhob, leuchteten Hunderte von kleinen Lichtpunkten – Glühwürmchen beim abendlichen Ausflug.

Mit einem Male drang ein schriller Laut aus dem Wald: „Kijuuuhh! Kijuuuhh!“

Marie erkannte ihn sofort: Es war ein Waldkauz. Ein Weibchen. Schlagartig blieb sie stehen. Nicht, weil der unheimliche Ruf ihr einen Schrecken eingejagt hätte. Ganz im Gegenteil: Ein erfreutes Lächeln legte sich auf ihr hübsches Gesicht.

Auch die Hündin verharrte, reckte leise winselnd die Schnauze nach vorne und spähte erwartungsvoll zwischen die Bäume. Ihr Schwanz ging aufgeregt hin und her.

Marie strich mit der Hand über Divas Kopf. „Jetzt bin ich mal gespannt“, flüsterte sie ihr zu, „ob wir uns gestern Abend nicht getäuscht haben.“

Erneut tönte der schrille Laut an ihr Ohr: „Kijuuuhh!“, dem unmittelbar darauf ein zweiter antwortete: „Kijuuuhh!“

„Super!“ Ein Strahlen ging über das Gesicht des Mädchens, während es die Faust ballte. „Wir haben doch richtig gehört.“ Erneut tätschelte Marie das goldbraune Fell ihrer Hündin. „Es ist tatsächlich ein Paar, das sich in der alten Eiche eingenistet hat. Vielleicht bekommen sie nächstes Jahr ja Junge und werden bei uns heimisch.“

Mit zufriedener Miene setzte Marie ihren Weg fort. Der Pferdeschwanz, zu dem sie ihr langes Blondhaar zusammengebunden hatte, wippte vergnügt. Marie engagierte sich nicht nur im Tierschutzverein, sondern war überhaupt eine leidenschaftliche Tierliebhaberin. Die heimatliche Fauna war ihr bestens vertraut, und so wusste sie natürlich auch, dass Waldkäuze in Mitteleuropa weitverbreitet waren. Nur in Steiningen hatte sich zu ihrem großen Bedauern bislang noch keiner dieser Eulenvögel angesiedelt. Kein Wunder, dass Maries Herz schneller geschlagen hatte, als am Abend zuvor erstmals ein Käuzchenruf im Stadtwald erklungen war. Dass manche Leute die scheuen Nachtvögel als unheimlich und schauerlich empfanden, konnte sie überhaupt nicht verstehen. Schließlich waren Käuzchen überaus nützliche Tiere. Sie machten Jagd auf Ratten und Mäuse und sorgten dafür, dass die kleine Nager nicht überhand nahmen und größere Schäden anrichteten. Und zum Dank dafür standen sie dann bei den meisten Menschen im Verruf. Erst kürzlich hatte Marie gelesen, dass Käuzchen in manchen Gegenden als Todesboten verschrien waren. In anderen Landstrichen wiederum war man fest davon überzeugt, dass ihr Lockruf schlimmes Unheil ankündigte.

So ein Unsinn!

Das war doch nichts als dummer Aberglaube.

In diesem Moment blieb Diva, die einige Meter vorangelaufen war, urplötzlich stehen. Dann ließ sie ein Knurren hören, tief und bedrohlich.

Marie eilte auf die Hündin zu, leinte sie fest und sah sie verwundert an. Das dichte Fell auf Divas Rücken war gesträubt. „Was ist denn los? Was hast du denn?“

Diva reagierte nicht. Breitbeinig und mit gesenktem Kopf stand sie da und starrte in die schwarze Düsternis der Tannenschonung, die sich am Rande des Weges erstreckte. Erneut grollte ein Knurren aus Divas Kehle.

Das Mädchen hob den Blick und spähte in die Schonung. In der Dunkelheit, die sich wie eine Horde bedrohlicher Gespenster zwischen den jungen Bäumen ballte, war nichts zu erkennen. Nur Sekunden später jedoch rissen die Wolken auf. Der fast volle Mond trat hinter ihnen hervor. Bleiches Licht ergoss sich auf die Tannen und erhellte die Finsternis – und als Marie nun endlich sehen konnte, was Divas Aufmerksamkeit erregt hatte, lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen richteten sich auf, während sie entsetzt nach Luft schnappte: Dort im fahlen Licht des Mondes stand eine schemenhafte Gestalt. Sie war mannsgroß und trug die Rüstung eines Ritters. Das Visier des mächtigen Helms, den ein schwarzer Federschweif zierte, war zugeklappt. Das Gesicht war nicht zu erkennen.

Doch Marie wusste auch so, um wen es sich handelte: Ohne jeden Zweifel - das war der Schwarze Ritter.

Der Schrecken von ganz Rock City!

In diesem Moment schlug Diva wütend an und zerrte so heftig an der Leine, dass Marie Mühe hatte, sie zu halten. „Sitz!“, zischte sie der Hündin zu, deren Flanken vor Aufregung bebten. Die schlanke Rute peitschte hektisch hin und her. „Wirst du wohl ruhig sein!“

Diva verstummte augenblicklich und setzte sich. Der strenge Ton ihrer Herrin hatte ihr verraten, dass es ernst war.

„Brav!“, lobte das Mädchen, während sie Divas Flanke tätschelte. „Sehr brav.“

Als Marie wieder den Kopf hob, um erneut in die Schonung zu blicken, war der Schwarze Ritter verschwunden. Als hätte die Dunkelheit ihn verschluckt, war nicht die geringste Spur mehr von ihm zu entdecken.

Doch Marie war sich ganz sicher, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Mit eigenen Augen hatte sie das legendenumwobene Wesen erblickt, das seit kurzem das Tagesgespräch von ganz Steiningen war und die Gemüter der Einwohner erhitzte. Nicht ohne Grund natürlich: Während der letzten Jahrhunderte war die unheimliche Spukgestalt angeblich immer wieder in der Stadt aufgetaucht und stets war schreckliches Unheil über Steiningen und seine Bürger hereingebrochen: Pest und Cholera. Dürre und Feuersbrunst. Krieg und Hungersnöte und ähnliche Katastrophen mehr. Und alles immer infolge der gruseligen Erscheinung. Jedenfalls wenn man den Spukgeschichten glauben wollte, die über den Schwarzen Ritter im Umlauf waren.

Marie machte kehrt und trat eilends den Rückweg an. Ein einziger Gedanke geisterte durch ihren Kopf: Wir müssen den Drachen-Rat einberufen, und zwar schnellstens! Schließlich musste sie Jan, Einstein und Julia umgehend von ihrer unheimlichen Begegnung berichten!


Der Lämmergeier reckte den Kopf nach vorne und blickte mit zusammengekniffenen Augen durch die dicken Brillengläser. „Ähm, räcks“, räusperte er sich und fuhr dann mit schnarrender Stimme fort: „Den meisten von euch dürften die Schauergeschichten bekannt sein, die seit ein paar Tagen in unserer Stadt die Runde machen. Aber kennt jemand von euch vielleicht die wahren historischen Hintergründe, die zu diesen abenteuerlichen Legenden geführt haben?“

Im Klassenzimmer war kein Laut zu vernehmen. Die 7a tat so, als hätte sie die Frage nicht gehört. Die Mehrzahl der Schüler und Schülerinnen senkte den Kopf, damit sich ihr Blick nicht zufällig mit dem ihres Geschichtslehrers kreuzte, dessen richtiger Name Dr. Lemmer-Geyer lautete. Die Schüler des Paracelsus-Gymnasiums nannten ihn allerdings nur „Lämmergeier“. Zumal nicht nur sein Name eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Aasfresser aufwies, sondern auch seine gesamte Erscheinung - der stechende Blick, der vorgereckte Kopf, die gespreizte Körperhaltung und der wiegende Gang.

Dr. Lemmer-Geyer wischte sich Schweißtropfen von der Stirn, bevor er erneut in die Runde spähte. „Was ist los?“, fragte er. „Auch wenn wir das noch nicht durchgenommen haben, solltet ihr das doch wissen.“

Ein großer schwarzhaariger Junge in der zweiten Sitzreihe beugte sich zu seinem Banknachbarn hinüber. „Damit hat der Lämmergeier ausnahmsweise mal Recht“, zischte Jan Berger dem fülligen Rotschopf an seiner rechten Seite ins Ohr. „Selbst das Tageblatt hat gestern erst eine Titelgeschichte über den Schwarzen Ritter gebracht!“

„Was mehr als bedauerlich ist.“ Albert Stein verdrehte die Augen. „Und zudem der beste Beweis, dass der gesunde Menschenverstand in unserem Land vom Aussterben bedroht ist!“ Seine rundlichen Wangen färbten sich vor Eifer, bis sie fast so feuerrot waren wie die Haare auf seinem Kopf. „Man muss doch ziemlich dämlich sein, um diesen Quatsch ernst zu nehmen, findest du nicht auch?“

„Ganz deiner Meinung, Einstein.“ Jan nickte. „Aber viele Einwohner von Rock City sind felsenfest davon überzeugt, dass die Geschichte stimmt.“

Einstein, wie Albert von seinen Freunden genannt wurde, wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als der Lämmergeier neben ihm auftauchte und ihn erwartungsvoll ansah. „Wie mir scheint, leiden deine Klassenkameraden unter einem Anfall akuter Ahnungslosigkeit“, sagte der Lehrer mit breitem Geierlächeln. „Willst du den Hohlraum in ihren Köpfen, den die meisten fälschlicherweise als Gehirn bezeichnen, nicht ein wenig auffüllen, Albert?“

„Ja, klar“, ließ sich eine helle Mädchenstimme aus der hintersten Bankreihe vernehmen. „Einstein weiß doch alles!“

Erneut färbten sich Alberts Wangen rot. Diesmal allerdings aus Verlegenheit. Natürlich hatte Martha Marbach Recht: Einstein verfügte tatsächlich über ein phänomenales Wissen und eine überragende Intelligenz. Er hielt damit auch keineswegs hinter dem Berg. Im Gegenteil – er fand seinen Spitznamen, den man ihm aus diesem Grunde verpasst hatte, völlig angemessen und trug ihn sogar mit Stolz. Dennoch war es ihm stets ein wenig peinlich, wenn er öffentlich darauf angesprochen wurde – besonders von einem Mädchen.

„Jetzt zier dich nicht länger ...“ Jan stieß dem Freund den Ellbogen ganz sacht in die Seite. „... und gewähre uns Normalsterblichen endlich einen Einblick in die erhabenen Wissenswelten eines Genies!“

„Blödmann!“, zischte Einstein ihn an und wandte sich dann an den Lehrer. „Wie hätten Sie es denn gerne, Dr. Lämmergei... äh ... Dr. Lemmer-Geyer? Kurz und bündig? Oder lang und ausführlich?“

Erneut grinste der Lämmergeier – eine dumme Angewohnheit, die ihm einen zweiten Spitznamen eingetragen hatte: Grinseviel. „Ich bin mir sicher, dass du einen mehrstündigen Vortrag über das Thema halten könntest. Aber da uns nur noch zehn Minuten bis zum Ende des Unterrichts bleiben, wäre ich dir für eine Kurzfassung sehr dankbar.“ Er blickte in die Runde. „Ihr doch auch, oder?“

Allgemeines Kopfnicken und zustimmendes Gemurmel waren die Antwort.

„Wie ihr wollt.“ Einstein klang enttäuscht. Offensichtlich hätte er der 7a gerne mehr als nur die wichtigsten Details aus dem Leben des Schwarzen Ritters erzählt. Dennoch legte er los.

Über viele Jahrhunderte, so erläuterte Einstein, befand sich Steiningen im Besitz der Grafen von Drachenfels. Ihr Stammsitz war die gleichnamige Burg, die das Herrschergeschlecht lange überdauerte und noch immer das weithin bekannte Wahrzeichen des Städtchens darstellte. Graf Kuno II. von Drachenfels, der im zwölften Jahrhundert regierte, war einer der beliebtesten Landesherren. Sein einziger Sohn dagegen, Heidmar von Drachenfels, wurde wegen seiner finsteren Gesinnung nur der „Schwarze Ritter“ genannt. In jungen Jahren buhlte Heidmar beständig um die Anerkennung seines gestrengen Vaters, wurde von diesem aber immer wieder zurück gewiesen. Schwer enttäuscht machte sich der Schwarze Ritter schließlich auf den Weg ins Heilige Land, um seinen Mut im Kampf gegen die Heiden unter Beweis zu stellen.

Schon kurz nach seiner Ankunft in Akkon, einem der wichtigsten Stützpunkte der Kreuzritter, schloss Heidmar sich Richard Löwenherz an, dem sagenumwobenen König von England, der den 3. Kreuzzug anführte. Innerhalb kürzester Zeit gelang es dem Schwarzen Ritter, das Vertrauen des Königs zu gewinnen. Was von der offiziellen Geschichtsschreibung – so Einstein - allerdings ebenso verschwiegen werde, wie das üble Spiel, das Heidmar von Drachenfels mit dem englischen Herrscher trieb.

Im Jahre 1192, auf dem Heimweg aus dem Heiligen Land, lockte der Schwarze Ritter Richard Löwenherz nämlich in der Nähe von Wien in eine Falle, worauf dieser in die Hände seiner ärgsten Feinde fiel. Leopold von Österreich nahm den Herrscher gefangen und lieferte ihn an den Staufer-Kaiser Heinrich VI. aus, der ihn schließlich gegen die Zahlung eines Lösegelds von 100 000 Mark Silber wieder freiließ.

Als Dank für den feigen Verrat schenkte Leopold von Österreich dem Schwarzen Ritter einen ungemein wertvollen Sarazenen-Dolch, der sich im Besitz von Richard Löwenherz befand. Er war ein Geschenk des legendären Sultans Saladin, der, obwohl Anführer der islamischen Heere, seinen christlichen Widersacher mit allergrößtem Respekt behandelt hatte.

Voller Stolz brachte Heidmar die kostbare Trophäe zu seinem Vater in die heimatliche Burg. Doch anstatt ihn zu loben, strafte Kuno von Drachenfels seinen Sohn nur mit Verachtung ob seiner verwerflichen Tat. Auch die Untertanen hielten mit ihrer Ablehnung nicht hinter dem Berg, spuckten vor Heidmar aus, wo immer sie ihm begegneten, und nannten die wertvolle Waffe fortan nur den „Verräterdolch“.

Die Demütigungen fanden ein jähes Ende, als Heidmar von Drachenfels am nächsten Jahrestag der Stadtgründung kurz nach Mitternacht aus dem Fenster seines Schlafgemaches in den Tod stürzte. Ein schicksalhafter Unglücksfall – so jedenfalls lautete die offizielle Erklärung. Unter den Steininger Bürgern jedoch kursierte alsbald eine andere Version: Geplagt vom schlechten Gewissen, habe der Schwarze Ritter den Freitod gesucht. Zumal ein Nachtwächter, der Zeuge des tödlichen Sturzes wurde, gehört haben wollte, wie Heidmar einen Fluch über die Bürger der Stadt aussprach.

„Einen Fluch?“, unterbrach Martha Marbach Einsteins Vortrag verwundert. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit – meist döste sie im Unterricht teilnahmslos vor sich hin – schien sie plötzlich hellwach. Auch die übrigen Schüler blickten Albert voller Spannung an. „Welchen Fluch denn?“

„Stand doch alles in der Zeitung, ihr Schnarchnasen“, brummte Einstein vor sich hin, bevor er sich wieder an die Klasse wandte. „Angeblich hat Heidmar vor seinem Sturz Folgendes ausgerufen: ‚Tod und Verderben Euch allen – und allen Euren Nachfahren!’ Jedenfalls hat das der Nachtwächter behauptet.“

„Krass!“, stöhnte ein Mädchen, Selma Müller, in der ersten Reihe auf. „Das klingt ja total unheimlich.“

„Richtig gespenstisch.“ Martha Marbach war blass geworden um die Nase. „Und was ist dann passiert?“

Albert warf seinem Freund Jan einen Hilfe suchenden Blick zu: Soll ich das wirklich erzählen?

Jan grinste nur und zuckte mit den Schultern, was wohl so viel wie „Da musst du jetzt durch!“ bedeuten sollte.

„Also“, fuhr Einstein gedehnt fort. „Ich halte die Geschichte zwar für ausgemachten Blödsinn oder für die Ausgeburt eines fieberkranken Schreibergehirns, aber wenn man unserer Stadtchronik glauben darf, dann...“ Er brach ab und machte ein unglückliches Gesicht. Offensichtlich widerstrebte es ihm, die abenteuerliche Geschichte preiszugeben.

„Ja, was denn?“, drängte Frank Boysen, der am Tisch hinter Jan und Albert saß. „Jetzt sag doch endlich!“

„Ähm.“ Einstein räusperte sich. „Angeblich suchte der Geist des Schwarzen Ritters die Stadt in den folgenden Jahrhunderten gleich mehrere Male heim - nämlich immer dann, wenn am Tag des Stadtfestes Vollmond war, genau wie in der Nacht von Heidmars Tod. Glücklicherweise war das nur selten der Fall, denn gemäß den historischen Aufzeichnungen kam es bei diesen wenigen Gelegenheiten zu einer außergewöhnlichen Häufung von Unglücksfällen und Katastrophen: So zum Beispiel zu einem verheerenden Brand, dem ein Großteil der Häuser und Bewohner zum Opfer fielen ...“

„Krass!“, ließ sich Selma wieder vernehmen.

„Ein anderes Mal ging ein schreckliches Unwetter über Steiningen und Umgebung nieder, das die Ernte vollständig vernichtete und Hunger und Not über seine Bewohner brachte. Ein weiterer Eintrag schließlich berichtet, dass just an einem solchen Vollmond-Stadtfest das erste Opfer der Pest zu beklagen war, die dann in kürzester Zeit fast die gesamte Bevölkerung dahin raffte. Und jedes Mal hat sich das Unheil dadurch angekündigt, dass einem oder mehreren Bewohnern der Stadt kurz davor die geisterhafte Gestalt des Schwarzen Ritters erschienen ist. Die jeweiligen Augenzeugen beschworen das jedenfalls hoch und heilig. Die Angst der Steininger Bürger vor dem Fluch des Schwarzen Ritters wurde schließlich so groß, dass sie das Stadtfest immer dann ausfallen ließen, wenn es auf einen Vollmondtag fi-“

„Moment mal!“, unterbrach ihn Martha Marbach. „Übermorgen, am Sonntag, haben wir doch auch wieder Stadtfest. Die 1000-Jahr-Feier sogar.“

Einstein grinste. „Stimmt.“

„Und wenn ich richtig informiert bin, ist an dem Tag ebenfalls Vollmond.“

„Das ist absolut korrekt.“

„Hey - ist das krass!“ Martha wurde noch blasser, während sie ihre Klassenkameraden ängstlich anblickte. „Wenn das stimmt, was in der Stadtchronik steht, müsste dieser Schwarze Ritter doch wieder auftauchen. Und bei uns in Steiningen was ganz Furchtbares passieren!“